4.06.2023. Lex Tusk, Lex Merkel, Lex Schröder, Lex Schwesig, Lex…

Die Hysterie ist groß und man wundert sich sehr. Die geplante Kommission zur Ausleuchtung russischer Einflussnahmen auf die polnische Politik soll ein Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit und die Opposition im Lande, vor allem aber auf Donald Tusks politische Karriere sein.

Dabei haben Tusk, seine engsten politischen Mitarbeiter und deren mediale Unterstützer monatelang immer wieder lautstark gefordert, endlich einen solchen Ausschuss einzusetzen. Er sollte die Regierenden: Jarosław Kaczyński, Mateusz Morawiecki u. v. a. m. bloßstellen, weil sie angeblich gemeinsame Sache mit Putin gemacht haben und weiterhin machen.

Sie hatten, so der Vorwurf, vor dem Ukraine-Krieg Kontakte zu putinfreundlichen konservativen Politikern wie Marine Le Pen oder Viktor Orban unterhalten. Und sie haben nicht schnell genug, weil „erst” Mitte April 2022, knapp zwei Monate nach Kriegsausbruch, die „mit ukrainischem Blut befleckten” Kohleimporte aus Russland gestoppt. Die EU hat dazu zwar ein halbes Jahr gebraucht, aber was solls. Schlimmer noch, sie sollen sogar gemeinsam mit Putin eine polnisch-russische Aufteilung der Ukraine geplant haben, so der Tusk-Intimus und ehemalige Außenminister Sikorski.

Kurzum: Die gegenüber Russland wohl am unversöhnlichsten eingestellte Regierung Europas ist in Wirklichkeit ein perfekt getarnter Ring von Putin-Fans. Donald Tusk selbst und ihm ergebene Medien, wie die „Gazeta Wyborcza” oder der Fernsehsender TVN, um nur zwei von vielen zu nennen, haben diese Behauptung nicht bloß einmal aus voller Kehle kundgetan.

Ein alter chinesischer Fluch lautet: „Sollen deine Wünsche in Erfüllung gehen!”. Die Regierenden haben sich Tusks permanente Aufforderungen zu Herzen genommen. Der vor Kurzem angebahnte Untersuchungsausschuss soll, fairerweise, ihre eigene bisherige Amtszeit (2015 bis 2022) auf russische Einflussnahmen hin, aber auch die von Tusk und seiner ein Jahr lang amtierenden Nachfolgerin Ewa Kopacz (2007-2015) durchleuchten.

Das sorgt im Tusk-Lager für Panik. Und allein schon der krasse Unterschied im Fotobestand in den Archiven der Weltmedien erklärt, warum das so ist. Es gibt nämlich kein einziges Foto von Putin gemeinsam mit Jarosław Kaczyński, Morawiecki oder Staatspräsident Andrzej Duda. Sie haben Putin nie getroffen. Deswegen machte ihnen Tusk seinerzeit immer wieder den Vorwurf der Russophobie.

Die Auswahl der gemeinsamen Fotos Tusks mit Putin, von denen viele einen herzlichen, vertrauensvollen Umgang belegen, ist hingegen groß. Ebenso bemerkenswert ist die Zahl von Putin- und russlandenthusiastischen TV-Mitschnitten aus Tusks Parlamentsreden, Pressekonferenzen, seinem Besuch im Kreml 2008, Putins Polen-Besuch 2009, Tusks Begegnungen mit Putin in Katyn vor (am 7.04.2010) und nach der Smolensk-Flugzeugkatastrophe (am 10.04.2010).

Das macht sich nicht gut. Noch schlechter macht sich Tusks politische Ӧffnung und Annäherung an Russland, die auch nach dem russischen Überfall auf Georgien 2008 und der Krim-Annexion 2014 fortgesetzt wurden. Tusks Devise lautete: „Wir wollen Dialog führen mit einem Russland, so wie es ist”.

Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Anstatt die Gas- und Ӧlimporte zu diversifizieren, setzte Tusk auf eine völlige Abhängigkeit von Russland. Es gab eine innige, vertraglich verbriefte Kooperation der Geheimdienste. Russlands Außenminister Lawrow wurde im September 2010 nach Warschau eingeladen, um polnische Botschafter aus der ganzen Welt bei ihrer Jahreskonferenz zu briefen. Sogar der polnische zentrale Wahlausschuss reiste noch im Mai 2013 „zur Schulung” nach Moskau.

Tusk trägt dafür die volle politische Verantwortung. Aber das weiß man bereits ohne den Ausschuss, der angeblich Tusk und die Seinen diskreditieren soll. Dafür hat bereits das eigene Russland-Gebaren ausreichend gesorgt. Allenfalls kann die die Kommission die Hintergründe zutage fördern.

Jetzt schreien Tusk und mit ihm all die Gegner der polnischen Regierenden im In- und Ausland Zeter und Mordio. Es hagelt Vorwürfe und schwere Anklagen. Zu Recht?

  1. Angeblich sind die Entscheidungen der Kommission nicht anfechtbar. Die Kontrolle der Gerichte fehlt.

FALSCH. Die Kommission ist ein Organ der öffentlichen Verwaltung und erlässt Verwaltungsentscheidungen, die die Möglichkeit beinhalten, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Gegen die Beschlussfassungen der Kommission (erste Instanz) kann daher beim Woiwodschafts-Verwaltungsgericht (zweite Instanz) und beim Obersten Verwaltungsgericht (dritte Instanz) Berufung eingelegt werden. Beide Gerichte können die Entscheidungen der Kommission aussetzen, aufheben, sie an diese zur erneuten Prüfung zurückverweisen. Sie können nicht nur Verfahrensfehler der Kommission beanstanden, sondern die Zuständigkeit an sich ziehen und selbst in der Sache ein Urteil fällen.

  1. Die Entscheidung der Kommission führt dazu, dass man nicht mehr für den Sejm kandidieren kann.

FALSCH. Nach polnischem Recht dürfen nur Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat, die von Amts wegen verfolgt wird und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, nicht für den Sejm kandidieren. Die Kommission kann keine Haftstrafen verhängen. Das eventuelle Verbot, 10 Jahre lang keine öffentlichen Ämter zu bekleiden, bezieht sich nicht auf den Parlamentssitz.

  1. Die Kommission wird ihre Arbeit am 17. September 2023, unmittelbar vor den Parlamentswahlen, abschließen.

FALSCH. Die Kommission wird, wie im Gesetz vorgesehen, am 17. September 2023 den ersten Bericht über ihre Arbeit vorlegen. Dieser wird zukünftig jährlich abgegeben werden.

4. Warum eine Überprüfungskommission und nicht ein parlamentarischer  Untersuchungsausschuss? Das wird die Politisierung fördern.

FALSCH. Im Gegenteil, die Kommission wird weniger politisiert dadurch, dass sie nicht nur Parlamentarier, sondern auch externe Experten einbeziehen kann. Darüber hinaus haben alle parlamentarischen Fraktionen das Recht, ihre Kandidaten für die Kommission vorzuschlagen. Staatspräsident Duda hat gerade eine Novelle vorgelegt, keine Parlamentarier, sondern nur Fachleute in die Kommission zu berufen.

  1. Die Kommission wurde gegen Donald Tusk eingesetzt, daher wird sie in den Medien als „Lex Tusk“ bezeichnet.

FALSCH. Von Donald Tusk ist in dem Gesetz nirgendwo die Rede. Es geht um russische Einflussnahmen während und nach seiner Amtszeit.

Doch was waren die Beweggründe für Tusks Russlandliebe? Vielleicht erfahren wir bald mehr darüber. Der Verdacht liegt jedenfalls nahe, dass Tusk auch in diesem Fall als politischer Ziehsohn und eifriger Willensvollstrecker Angela Merkels agiert hat. Das „pflegeleichte” Polen unter Tusks Führung sollte Deutschland in seiner grenzenlos russlandorientierten Politik durch etwaige Vorbehalte, laut formulierte Ängste oder gar mahnende Warnungen keine Steine in den Weg legen. Tusk sorgte dafür und wurde für seine Treue, auf Betreiben Berlins, mit dem Amt des EU-Ratsvorsitzenden belohnt.

Er war eine Bauernfigur auf dem Schachbrett der deutschen Russlandpolitik. Die Rollen des Königs, der Königin und aller anderen Figuren waren bereits Angela Merkel, Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Manuela Schwesig, Matthias Platzeck, Armin Laschet, Wolfgang Kubicki, Sahra Wagenknecht  u. v. a. m. zugedacht.

Ein Teil von ihnen amtiert weiter, der Rest genießt unbelangt den Ruhestand, wird gar, wie Frau Merkel, mit Orden behängt. Derweil steigt die russlandfreundliche AfD im Ansehen, huldigt Putin auf den Straßen und in den sozialen Netzwerken, gemeinsam mit anderen rechten Milieus, mit der Linken, mit den radikalen Ӧko-, Klima- und Friedensbewegten sowie den sehr vielen ungebundenen deutschen Putin-Sympathisanten.

Ein Untersuchungsausschuss in Deutschland zur Aufarbeitung all dessen? Nichts dergleichen. Dafür, ohne offensichtlich das entsprechende Gesetz überhaupt gelesen zu haben, Unterstellungen und hysterische Attacken auf das polnische Bestreben, die Russland-Verstrickungen auszuleuchten. Treue zu erfahren ist Glück. Deutschland lässt seine polnischen Russlandversteher nicht im Stich.

RdP