26.07.2022. »Schmuddelkind« Polen bleibt bei der Kohle

Dieses Ereignis darf man, gerade aus polnischer Sicht, nicht einfach so, kommentarlos verstreichen lassen. Angesichts der von Putin ausgelösten Energiekrise und der Befürchtung von Engpässen bei der Gasversorgung besinnen sich Deutschland, Holland, Österreich, die größten Eiferer des Klimatismus, der Kohle.

Ja, sagen sie, das ist aus klimapolitischer Sicht schmerzhaft, aber notwendig. Schließlich können wir nicht riskieren, unsere Industrie zu beschädigen, wir können keinen wirtschaftlichen Zusammenbruch, keinen sinkenden Lebensstandard, keinen Winter ohne Heizung hinnehmen.

Es ist eine verständliche Haltung. Als jedoch Polen, wo immer noch drei Viertel der Energie aus Stein- und Braunkohle gewonnen werden, jahrelang das Argument der Kosten der Energiewende vorbrachte, wurde nur mit den Schultern gezuckt. „Das ist euer Problem“, hieß es, und es wurde die Nase gerümpft. „Nehmt euch ein Beispiel an uns. Kaum Kohle, kaum Kernkraft. Bald werden wir unsere Wirtschaft, die drittgrößte der Welt, nur noch klimaschonend mit Wind, Sonne und russischem Erdgas am Laufen halten“, tönte es aus Deutschland.

Die Schrittmacher des Klimatismus hörten nicht hin, als sie aus Polen darauf hingewiesen wurden, dass das nicht so einfach geht, dass die Wirtschaft zusammenzubrechen und die Lebenshaltungskosten in die Höhe zu schießen drohen. Das „Kohle-Schmuddelkind“ Polen wurde von seinen europäischen Erziehern in die Ecke geschickt und sollte sich schämen. Seine Probleme waren nicht ihre Probleme und so sahen die Klimaverfechter keine Notwendigkeit, die Energiewende zu verlangsamen, um sie mit den tatsächlichen Möglichkeiten der einzelnen Länder in Einklang zu bringen. Es galt das Prinzip: Am liebsten CO2-Nullemission, sofort!

Doch in Wirklichkeit geht es hier um viel mehr, um ein grundsätzliches Problem. Ob Klimapolitik, Genderismus, Asyl- und Flüchtlingspolitik oder Energie. Es ist der Westen, mit Deutschland an der Spitze, der in all diesen Fragen, in seinem Sinne, „die europäischen Interessen und Werte“ vorgibt. Anschließend werden sie an die ohnehin durch die westlichen Staaten beherrschten EU-Institutionen „weitergegeben“.

Diese wiederum, gut geübt in der Finanzpolitik von „Zuckerbrot und Peitsche“, zwingen die „Neuerungen“ allen anderen Mitgliedern der „Gemeinschaft“, als die angeblich „gemeinsame und notwendige »europäische« Position“, auf. Sie setzen sich dabei, wenn nötig, rücksichtslos durch, indem sie den ärmeren, oft von EU-Geldern abhängigen Nationen, solche Lasten wie den Emissionshandel mit seinen horrend teuren CO2-Zertifikaten aufbürden.

Wenn aber plötzlich den Klimavorreitern, wie Deutschland, das Wasser bis zum Halse steht, dann stehen all die angeblich noch so unumstößlichen EU-Prinzipien der Klimapolitik sofort zur Disposition. Ohne auch nur anstandshalber in Brüssel nachzufragen, baut Deutschland holterdiepolter Flüssiggasterminals in Stade und Lubmin, wo das noch vor Kurzem so verfemte amerikanische Fracking-Gas angeliefert werden soll. Die geradezu diabolisierte Kernkraft, die verpönte Braun- und Steinkohle werden wieder kleinlaut zugelassen. Legionen von Klimaaktivisten, auch die Fanatiker, die sich aufopferungsvoll auf den Autobahnen festkleben, erkennen, wie naiv sie waren, und fühlen sich für dumm verkauft.

Deswegen muss man den Augenblick, in dem die Masken so unmissverständlich fallen, unbedingt festhalten. Auch, um sich in der Zukunft vom Sofortismus und der Hysterie der Klimaideologen nicht mehr einschüchtern zu lassen.

Kohle ist und bleibt eine wertvolle Energiequelle. Sie kann schon heute, dank modernster Technologien, äußerst umweltschonend verstromt werden. Polen mit seinen enormen Kohlevorkommen darf sich in Zukunft kein zweites Mal den Verzicht auf Kohle in einem für das Land desaströsen Hauruckverfahren aufdrängen lassen.

Erneuerbare Energien, die heute bereits etwa 18 Prozent des polnischen Energiemixes ausmachen, sind gut, aber warme Wohnungen im Winter und funktionierende Industrieanlagen sind noch besser. Eile mit viel Weile, dieses Prinzip muss beim Umstieg auf erneuerbare Energien absoluten Vorrang haben.

Deshalb ist es einerseits notwendig, den polnischen Bergbau ständig zu modernisieren und zu schützen, und andererseits große Vorräte an Kohle bereitzuhalten, die in schwierigen Zeiten eingesetzt werden können. Der russische Überfall auf die Ukraine und seine Folgen bestätigen eine Binsenwahrheit: Was man hat, das hat man. Alles andere sind ideologische Wolkenschiebereien.

RdP